Leadership 4.0 – Wie Sie mit moderner Führung Wettbewerbsvorteile schaffen
Industrie 4.0 ist in Deutschland ein Symbolbegriff für die immer komplexere Welt verbunden mit turbulenten Zeiten. Für alle Organisationen besteht in diesem Umfeld ein Anpassungsdruck. Von außen durch Themen wie Digitalisierung, disruptive Geschäftsmodelle oder unsichere Marktbedingungen. Von innen durch die Bedürfnisse einer neuen Mitarbeitergeneration (Y und Z) oder den Bedarf an agilen und selbststeuernden Strukturen und Prozessen.
In diesem Kontext ergeben sich ganz neue Anforderungen an die Führung und parallel die Chance, mit Leadership 4.0 und agilem Führen eine Antwort auf Industrie 4.0 und damit einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen.
Neue Führungsmuster für die VUKA-Welt
„Führung ist weniger ein Steuern, sondern vielmehr ein Navigieren in turbulenten Zeiten.“ Fredmund Malik
Im aktuellen Management- und Führungsverständnis nimmt die dynamische und komplexe Welt, die als VUKA-Welt bezeichnet wird (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität), eine zentrale Rolle ein. Um mit Kundenfokus flexibel am Markt agieren zu können und eine hohe Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen, ist eine Kultur der ständigen Veränderung erforderlich. Parallel sehnen sich Menschen nach Stabilität und Orientierung.
Als Reaktion auf diese Rahmenbedingungen werden von der Führung oftmals bestehende Denk- und Verhaltensmuster reproduziert.
Verstärkt wird versucht, den Anforderungen mit „mehr Desselben“ zu begegnen: Vorgaben, Kontrollen, Standards und Beschleunigung.
Zum erfolgreichen Umgang mit Komplexität sind neue Muster gefragt, die Unsicherheit und Vielfalt akzeptieren und sogar bewusst fördern und nutzen.
„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Aristoteles
Hier können Muster und Prinzipien aus natürlichen Systemen unterstützen, da es sich bei Organisationen ebenfalls um soziale, natürliche Systeme handelt, in den Themen wie Ganzheitlichkeit, Vielfalt, Vernetzung, Wechselwirkungen, Nachhaltigkeit, Flexibilität und Agilität wichtige Erfolgsfaktoren darstellen.
Diese Elemente und dieses Verständnis liegen auch einer modernen Führungs-Philosophie und einem modernen Führungs-System zu Grunde. Im Kern geht es dabei für die Führung mit Leadership 4.0 darum, ein agiles und menschenorientiertes System zu gestalten, welches wie beim Seiltanz die Balance zwischen Beweglichkeit und Stabilität und in der Veränderung Sicherheit und Orientierung für die Menschen schafft.
Führung und Kultur als entscheidende Wettbewerbsvorteile
Leadership 4.0 bedeutet ein neues Rollenverständnis – die Führung agiert als Lotse und Navigator, um die Organisation „auf Kurs“ zu halten. Mit Agilität und Menschenorientierung im Fokus wird dies mehr und mehr eine „Arbeit am System“ (als Kontextgestalter) und weniger eine „Arbeit im System“ (als Optimierer).
Mit einer Balance aus transaktionalem und transformationalem Führungsstil gestaltet sich agiles Führen als sogenannte Integrative Führung. Die gefragten Fähigkeiten der Führung werden beispielsweise in der Meta-Studie „Führungskompetenzen im digitalen Zeitalter“ (IFIDZ, Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter 2019) dargestellt. Zu den Top-Kompetenzen zählen:
- Wertschätzung und Kommunikationsfähigkeit
- Veränderungs- und Innovationsfähigkeit
- Strategisches Denken und Transparenzorientierung
Die auch hierbei adressierten Schwerpunkte Agilität und Menschen-orientierung (Führung als Interaktionsprozess) akzentuieren die Rollen der Führung als Systemgestalter, Innovator und Moderator.
Zusammen mit den Menschen der Organisation schafft die Führung eine Kultur der Excellence, auf deren Basis Agilität und Menschenorientierung gelebt werden. Dies zeigt sich dadurch, dass sich Mitarbeiter mit Leidenschaft einbringen, durch Empowerment Selbstorganisation stattfindet und Ko-Kreation zur Entwicklung der Organisation und der darin arbeitenden Menschen führt.
Damit schafft Leadership 4.0 nachhaltigen Erfolg und mit der Betonung auf Kultur einen klaren zusätzlichen Wettbewerbsvorteil (neben den klassischen Wettbewerbsvorteilen wie Qualität, Innovation oder Markenstärke). In Anlehnung an musterbrecherâ(Hans Wüthrich et al, siehe Quellen/Literatur) ergibt sich daraus ein anschauliches Modell.
Abb. 1 Mit Leadership 4.0 zu Wettbewerbsvorteilen
Johann Tikart, ehemaliger Geschäftsführer der Mettler-Toledo sagte einmal: „Solange ich die Menschen zu deren Tun anleitete, funktionierte alles auch genauso, wie es meiner Rationalität entsprach. Doch zu meiner Überraschung musste ich erleben, dass diese Abläufe nur so abliefen, wie ich es mir ausgedacht hatte, solange ich die Aufmerksamkeit darauf richtete. Sobald ich mich abwandte, musste ich erkennen, dass die Dinge anders liefen. Das System fiel auch nicht in seinen Ausgangszustand zurück, sondern ging in einen nicht vorhersehbaren Zustand über. Ich dachte, dass dies mit der Trägheit der Menschen zu tun haben müsse und meinte, durch längeres Ausüben von Druck die ausgedachten Abläufe etablieren zu können. Doch das war ein Irrtum. Ich konnte noch so viel Energie aufwenden – sobald ich mich etwas anderem zuwandte, verfiel dies wieder. Diese Erlebnisse machten mich sehr nachdenklich und ich stellte meine eigene Logik in Frage. Ich musste feststellen, dass diesen künstlich geschaffenen Organisationssystemen, die wir in der Rationalität konstruieren, etwas Elementares fehlt: die eigene Lebensfähigkeit! Man muss akzeptieren, dass ein Unternehmen, das ich als natürliches System bezeichne, nicht mit der Regelmäßigkeit einer Maschine funktioniert. Das hat es ja auch noch nie getan!“
Vom Sinn zur Wirkung – ein praktisches Führungssystem
Exzellente Führung hat das Ziel, eine exzellente Organisation zu gestalten, die nachhaltig herausragende Leistungen erzielt, welche die Erwartungen aller ihrer Interessengruppen erfüllt oder übertrifft.
Ein ganzheitliches, vernetztes und agiles Geschäftssystem unterstützt die Führung dabei, die gewünschte Wirkung nachhaltig und auf Basis der vorher genannten Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Dieses Geschäftssystem lebt durch und mit den Mitarbeitern der Organisation und stellt im Idealfall ein sich selbst revitalisierendes System dar.
Abb. 2 Ein sich selbst revitalisierendes Geschäftssystem
Kultur als Basis und Führung als Vorbild
Die wesentliche Erfolgsvoraussetzung ist die Kultur, die in einem Leitbild mit definierten Werten konkretisiert und greifbar dargestellt wird. Wichtiger als die Definition der Werte sind die gemeinsame Entwicklung einer Kultur der Excellence und vor allem das Leben in der täglichen Praxis. Hier ist die Führung als Vorbild, Ermöglicher und Ermutiger gefragt.
Menschen sind nach aktuellen Erkenntnissen der Hirnforschung motiviert, wenn sie in ihrer Tätigkeit einen Sinn / einen Zweck erkennen, zu welchem sie einen Beitrag leisten können. Deshalb ist das „WARUM“ (der Sinn) so elementar, welches als Kernelement im Golden Circle-Modell von Simon Sinek beschrieben wird.
Für die Organisation sind dies der Zweck, die Mission oder der Geschäftsauftrag – ein Beispiel hierzu aus der Gesundheitsbranche: „Bewahrung und Förderung des menschlichen Lebens“(MERCK).
In Abhängigkeit der Marktbedingungen, den Kundensegmenten und deren Bedürfnissen wird der Zweck der Organisation auch bis zu spezifischen Produkten und Dienstleistungen konkretisiert.
Die Strategie ist der Weg zum Zukunftsbild
Ein weiterer Teil ist die Leidenschafts-Frage – die Frage nach der Vision oder dem gemeinsam getragenen Traum. Die Vision beschreibt als inspirierendes und emotionales Zukunftsbild, was die Organisation im Rahmen ihres Zwecks erreichen möchte und bildet daraus ein langfristiges Zielbild als Orientierung und Richtung. Beispiele hierfür sind: „Ein Computer auf jedem Schreibtisch“ (Bill Gates) oder „Ein Mensch auf dem Mond am Ende des Jahrzehnts“(J.F. Kennedy 1961).
Die Strategie beschreibt den Weg und die grundsätzliche Art und Weise, wie der Zweck – ausgerichtet an der Vision – umgesetzt werden soll. Strategische Aussagen lösen konkrete Handlungen aus und Strategien lassen sich immer praktisch umsetzen.
Produkte und Dienstleistungen sind im Kern bereits im Zweck formuliert. Es stellt sich an dieser Stelle allerdings die wichtige Frage: Wie verändern sich die Produkte und Dienstleistungen (zum Beispiel Innovationen) auf Grund des Sinns, der Vision und der Strategien. Als Beispiel: „Durch die Strategie der Einfachheit und Verständlichkeit werden alle Beschreibungen und Leistungen überarbeitet. Es werden Kunden dazu eingeladen, die das aus ihrer Sicht überprüfen.“
Mit einem Managementsystem zu herausragenden Ergebnissen
Für die nachhaltige Umsetzung, Überprüfung und Verbesserung der Strategie ergeben sich automatisch Themen wie Ziele, Aufbauorganisation (Struktur), Ablauforganisation (Prozesse) inkl. Wertschöpfung und -schaffung für alle Interessengruppen, Projekte und Maßnahmen, KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) und Innovation etc.
Auch für diese Themen, die nach dem Golden Circle-Modell (Simon Sinek, siehe Literatur/Quellen) das „WIE“ betreffen, gelten als Grundprinzipien Agilität und Menschenorientierung im Rahmen von Leadership 4.0.
Im Sinne der Ganzheitlichkeit und Vernetztheit wird aus diesen Themen ein Managementsystem geschaffen, welches die Transformation vom Sinn („WARUM“) über das Managementsystem („WIE“) zur Wirkung (das „WAS“ nach dem Golden Circle-Modell) gestaltet.
Damit schafft die Organisation mit Führungs-Excellence Wettbewerbsvorteile, positive Leistungen für alle Interessengruppen und erreicht eine positive Wahrnehmung bei allen Interessengruppen.
Ein wenig zum „Schmökern“ ?
Wenn Sie weitere Impulse zu diesem Thema möchten, dann finden Sie zum Beispiel Anregungen in folgenden Büchern:
- Kaduk, Osmetz, Wüthrich, Hammer: Musterbrecher
- Bernhard von Mutius: Disruptive Thinking
- Simon Sinek, Finde dein Warum
- Wolfgang Vieweg, Management in Komplexität und Unsicherheit
- Wolfgang Berger, Anleitung zur artgerechten Menschanhaltung
- Andre Häusling, Agile Organisationen
- Olaf Kortmann, Transformationales Führen
- Jörg Preußig / Silke Sichart, Agiles Führen
- Katrin Greßer / Renate Freisler, Agil und erfolgreich führen
- Boris Gloger / Dieter Rösner, Selbstorganisation braucht Führung
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