Umgang mit dem Wandel – eine Standortbestimmung und 6 Thesen

Eine Umfrage mit Führungskräften aus unterschiedlichen Organisationen verschiedenster Branchen zeigt in einer spannenden Momentaufnahme, wo die Organisationen und ihre jeweilige Führung stehen und geben damit wertvolle Erkenntnisse und Impulse.

Eigenes Bild

In den letzten Jahren haben dynamische Komplexitäten, mit denen Organisationen und Führungskräfte konfrontiert sind, drastisch zugenommen. Von außen durch Themen wie Digitalisierung, disruptive Geschäftsmodelle oder unsichere Marktbedingungen. Von innen durch die Bedürfnisse einer neuen Mitarbeitergeneration (Y und Z) oder den Bedarf an agilen und selbststeuernden Strukturen und Prozessen.
Für alle Organisationen besteht in diesem Umfeld eine ständig steigende Anforderung an die Veränderungs- und Wandelbereitschaft und -fähigkeit.

Eine stichprobenartige Umfrage mit Führungskräften 45 unterschiedlicher Organisationen (von 20 bis 6.000 Mitarbeitern) und verschiedenster Branchen (von Finanzdienstleistung bis Maschinenbau) hat diesen Kontext thematisiert. Die Ergebnisse zeigen konkrete Einschätzungen und Erfahrungen zum Umgang mit Wandel aus der betrieblichen Praxis, aus denen sich sechs Thesen zur weiterführenden Diskussion ableiten lassen.

These 1: „Beidhändigkeit“ ist wichtig: Verbesserung der
bestehenden Strukturen und Abläufe einerseits und
Innovationen andererseits

Die erste Frage bezieht sich darauf, „an welchen Themen die Organisation gerade arbeitet“. Hier sind Themen zur Auswahl als Checkliste vorgegeben und können ergänzt werden. Die meist genannten Themen („Top 5“) sind in der folgenden Grafik dargestellt (die Werte in den Säulen repräsentieren %-Werte).


Die Antworten bestätigen den doppelten Anpassungsdruck: „von außen“ durch die Markt-/Wettbewerbssituation oder die Digitalisierung und von „innen“ durch Effizienz- und Mitarbeiterthemen oder eine unklare Zukunftsstrategie.

Es zeigen sich daraus ergebend auch die Anforderungen in einerseits einer kontinuierlichen Verbesserung der bestehenden Strukturen und Abläufe (KVP: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) mit  der Effizienzthematik und andererseits der Schaffung von Innovationen für sich ändernde Markt-/Wettbewerbssituationen und die Zukunftsstrategie („Beidhändigkeit“).

Das man an genau diesen ausgewählten Top-Themen „dran ist“, lässt als erweiterte These ableiten, dass bei den Organisationen noch in gewissem Grad Unsicherheit und Verbesserungspotenziale bestehen.

These 2: Eine starke Betroffenheit und Sensibilität bezüglich des
Themas Wandel ist vorhanden

Bei der Frage: „Wie schätzen Sie den Wandel in Ihrer Branche / in Ihrem Gewerbe grundsätzlich ein?“ antworten nur 2 %: „Wir sind davon nicht betroffen“ bzw. 22 %: „Wir werden in Zukunft davon teilweise betroffen sein.“ 92 % bejahen die Antworten „Wir sind bereits jetzt davon betroffen“ (67 %) und „Wir werden in Zukunft stark davon betroffen sein“ (25 %).

Eine weitere, später gestellte,  Frage zu diesem Thema – „Wie sehr sind Sie aktuell von Veränderungen betroffen?“ – beantworten 98% mit „Permanent vollumfänglich“ (56 %) bzw. „Teilweise“ (42 %).

Diese Ergebnisse zeigen, dass dem Thema Wandel von der Mehrzahl der Führungskräfte  eine hohe Bedeutung zugesprochen wird und dass sie sehr sensibel dafür sind.

These 3: Die größten externen Probleme sind sowohl „technisch“ als
auch „menschlich“

Die meist genannten Themen („Top 5“) auf die Frage: „Wo liegen Ihrer Meinung nach die drei größten externen Probleme, mit denen Sie momentan zu kämpfen haben?“ zeigt die folgende Abbildung (wieder mit den %-Werten der Nennungen in den Säulen).

Für 76 % sind das Nummer 1 – Thema die Digitalisierung bzw. technologische Ver-änderungen. Neben diesem „technischen“ Thema zeigen sich als weitere herausra-gende externe Probleme „menschlicher“ Natur: Verändertes Kundenverhalten und Sinn-/Werteorientierung.

These 4: Der Umgang mit Komplexität und mit Wandel sind die
wichtigsten internen Probleme

Die meist genannten Themen („Top 5“) auf die Frage: „Wo liegen Ihrer Meinung nach die drei größten internen Probleme, mit denen Sie momentan zu kämpfen haben?“ zeigt die folgende Abbildung.

Das Thema „Umgang mit Komplexität / Instabilität“ wird direkt als Top 1 – Punkt ausgewählt. Diese Thematik ist eng verknüpft mit dem impliziten Punkt Agilität, der mit den anderen ausgewählten Feldern eng zusammenhängt: „Neue Führungs-/ Kollaborationsvorgehensweisen“, „Kommunikation“ und auch „Change Gestaltung“ im Sinne des Umgangs mit Wandel.

These 5: Die meisten Organisationen haben noch Nachholbedarf
beim der „Aufstellung für die Zukunft“

Auf die Frage: „Wie beurteilen Sie Ihre Aussichten?“ antworten nur 13 % „Wir sind gut aufgestellt“ – 87 % sagen „Wir haben eine gute Basis, jedoch auch Nachholbedarf“ (74 %) oder „Wir sind noch nicht so gut für die Zukunft aufgestellt“ (13 %).

These 6: Es gilt, ausreichend Raum und Zeit für die Analyse und
Bearbeitung der relevanten Themen zu schaffen

Die Frage: „Wie viel Zeit nehmen Sie sich alleine oder in der Führungsmannschaft, um diese Themen zu analysieren und zu besprechen?“ beantwortet die Mehrheit mit  „Ich bin / Wir sind mittendrin“ (31 bzw. 36 %). 27% bzw. 24 % antworten selbstkritisch „Gar keine oder zu wenig“ (allein, in der Führungsmannschaft).

Selbstreflexion und Lernen

Als Anregung und Impuls:

Nutzen Sie die Ergebnisse der Umfrage, um diese mit den Thesen in Ihrer Organisation mit Ihren Führungskräften zu diskutieren und eine eigene Standort-bestimmung vorzunehmen.

Auf dieser Basis können Sie Ihre eigenen individuellen Themen und Potenziale identifizieren und gezielte Maßnahmen ableiten und umsetzen, um sich „gut für die Zukunft aufzustellen“! ?

Leistungslust und Lebensfreude

Kennen Sie den Zustand, wenn es im täglichen Leben dahin fließt und trotz Anstrengungen einfach „flutscht“?  Wann haben Sie so einen Zustand das letzte Mal erlebt?

Mittlerweile stellen sich in unserer Leistungssteigerungs- und Multioptionsgesellschaft leider immer mehr Menschen die Frage, wann sich das Leben endlich wieder gut, also „rund“, „fließend“ und somit „stimmig“ anfühlen kann. In so einem „Modus des Gelingens“ erlebt man Leistungslust und Lebensfreude. Die Voraussetzung dafür ist zunächst,  die  gestellten Anforderungen und Herausforderungen selbstwirksam bewältigen oder lösen zu können.

Gelingt das nicht, öffnen wir Überforderungen Tür und Tor. Stellt sich jedoch zwischen den Forderungen auf der einen Seite und den zur Verfügung stehenden Kompetenzen oder Ressourcen auf den anderen Seite eine Balance ein, erfahren wir das Leben vital und haben Freude an der zu erbringenden Leistung. Dieser Zustand kann auch mit den Saiten einer Gitarre verglichen werden: sind die Saiten zu locker, ist es zwar entspannt, auf Dauer aber langweilig und fad; ist die Saite zu fest, gibt sie nicht mehr den richtigen Ton an und droht zu reißen. Der richtige Ton einer Gitarrensaite bedeutet also im übertragenen Sinne, einen optimalen Spannungszustand herstellen zu können.

Wenn wir den Anforderungen, Herausforderungen oder Problemen des Lebens über unsere selbstwirksame Bewältigung hinaus noch eine Bedeutung geben und einen Sinn verleihen können, stellt sich noch ergänzend ein besonderes Gefühl ein: Kohärenz. Im Zustand von Kohärenz erleben wir die Anforderungen oder die Herausforderungen des Lebens für uns stimmig. Dieses Stimmigkeitserleben speist sich also einerseits aus den vorhandenen Bewältigungskompetenzen und andererseits aus unserer Bedeutungs- und Sinngebung. Durch Sinn und Stimmigkeit entsteht wiederum  Motivation für Kontinuität oder für mehr Leistungslust.

Der Kohärenzbegriff ist ein zentraler Aspekt der Salutogenese, welches die Wissenschaft von der Entstehung und Erhaltung der Gesundheit ist. Das Salutogenese Modell geht auf den Soziologen Aaron Antonovsky zurück und beschreibt Gesundheit und Zufriedenheit als einen dynamischen Wechselwirkungsprozess zwischen Risiko- und Schutzfaktoren, zwischen erlebbaren Krisen und den zur Verfügung stehenden Bewältigungsfähigkeiten. Dabei spielt einerseits die Grundhaltung des Menschen, wie er also seine Schwierigkeiten angeht, Rückschläge verarbeitet, Vertrauen in seine eigenen Kräfte entwickelt und seine Sinngebung eine bedeutende Rolle. Auf der anderen Seite aber auch seine Eingebundenheit in Familie und soziale Netzwerke. Diese Gestaltungs- und Widerstandsfähigkeit des Menschen hat also einen entscheidenden Einfluss auf seine Zufriedenheit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Resilienz sehr populär geworden. Dieser Begriff stammt ursprünglich aus der Materialwirtschaft und meint die Elastizität sowie Widerstandsfähigkeit verschiedener Materialien. Resiliente, also widerstandsfähige Menschen, zeichnet eine gesunde Mischung aus Stärke- und Lösungsorientierung, Zuversicht, Selbstverantwortung, Einbindung in soziale Netzwerke und positive Zukunftsplanung aus.

Der Salutogenese Ansatz verfolgt also das Ziel, Stärken zu fördern, Ressourcen zu mobilisieren und so die Eigenverantwortung zu aktivieren. Hier bietet sich als Ergänzung zur Gitarrensaitenmetapher ein zweites Bild an: es geht darum, „im Leben schwimmen zu lernen“, statt „vom Ertrinken gerettet zu werden“.

Wollen Sie  Ihr Leben vital, zufrieden und gesund erleben, ist über das Selbstwirksamkeitserleben und die Kohärenz hinaus noch ein cleverer Rhythmus von Anspannung und Entspannung nötig, den Energie zehrenden Aufgaben der Arbeit und des Lebens, konsequent regenerative Zeiten und erholsamen Ausgleich entgegenzusetzen. Denn auch Pausen und Regenerationszeiten entscheiden über Erfolg und Zufriedenheit. Gesundheit, Lebensfreude und Schaffenskraft sind also das Ergebnis eines ausgewogenen und „eutonischen Spannungszustandes“, den wir mittels unserer Fähigkeiten und unseren Ressourcen auch immer wieder selber herstellen können. Der Begriff Eutonie setzt sich aus den griechischen Wörtern „Eu“ = „gut“, „wohl“, „angemessen“ und „tonos“ = „Spannung“ zusammen. Die Fähigkeit also in unserer fordernden Leistungs- und Multioptionsgesellschaft immer wieder die eigene Energie- oder Lebenskraftbalance herstellen zu können, wird zu einem zentralen Schlüssel für die Gestaltung eines gesunden, zufriedenen und schöpferischen Lebens.