Leistungslust und Lebensfreude
Kennen Sie den Zustand, wenn es im täglichen Leben dahin fließt und trotz Anstrengungen einfach „flutscht“? Wann haben Sie so einen Zustand das letzte Mal erlebt?
Mittlerweile stellen sich in unserer Leistungssteigerungs- und Multioptionsgesellschaft leider immer mehr Menschen die Frage, wann sich das Leben endlich wieder gut, also „rund“, „fließend“ und somit „stimmig“ anfühlen kann. In so einem „Modus des Gelingens“ erlebt man Leistungslust und Lebensfreude. Die Voraussetzung dafür ist zunächst, die gestellten Anforderungen und Herausforderungen selbstwirksam bewältigen oder lösen zu können.
Gelingt das nicht, öffnen wir Überforderungen Tür und Tor. Stellt sich jedoch zwischen den Forderungen auf der einen Seite und den zur Verfügung stehenden Kompetenzen oder Ressourcen auf den anderen Seite eine Balance ein, erfahren wir das Leben vital und haben Freude an der zu erbringenden Leistung. Dieser Zustand kann auch mit den Saiten einer Gitarre verglichen werden: sind die Saiten zu locker, ist es zwar entspannt, auf Dauer aber langweilig und fad; ist die Saite zu fest, gibt sie nicht mehr den richtigen Ton an und droht zu reißen. Der richtige Ton einer Gitarrensaite bedeutet also im übertragenen Sinne, einen optimalen Spannungszustand herstellen zu können.
Wenn wir den Anforderungen, Herausforderungen oder Problemen des Lebens über unsere selbstwirksame Bewältigung hinaus noch eine Bedeutung geben und einen Sinn verleihen können, stellt sich noch ergänzend ein besonderes Gefühl ein: Kohärenz. Im Zustand von Kohärenz erleben wir die Anforderungen oder die Herausforderungen des Lebens für uns stimmig. Dieses Stimmigkeitserleben speist sich also einerseits aus den vorhandenen Bewältigungskompetenzen und andererseits aus unserer Bedeutungs- und Sinngebung. Durch Sinn und Stimmigkeit entsteht wiederum Motivation für Kontinuität oder für mehr Leistungslust.
Der Kohärenzbegriff ist ein zentraler Aspekt der Salutogenese, welches die Wissenschaft von der Entstehung und Erhaltung der Gesundheit ist. Das Salutogenese Modell geht auf den Soziologen Aaron Antonovsky zurück und beschreibt Gesundheit und Zufriedenheit als einen dynamischen Wechselwirkungsprozess zwischen Risiko- und Schutzfaktoren, zwischen erlebbaren Krisen und den zur Verfügung stehenden Bewältigungsfähigkeiten. Dabei spielt einerseits die Grundhaltung des Menschen, wie er also seine Schwierigkeiten angeht, Rückschläge verarbeitet, Vertrauen in seine eigenen Kräfte entwickelt und seine Sinngebung eine bedeutende Rolle. Auf der anderen Seite aber auch seine Eingebundenheit in Familie und soziale Netzwerke. Diese Gestaltungs- und Widerstandsfähigkeit des Menschen hat also einen entscheidenden Einfluss auf seine Zufriedenheit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Resilienz sehr populär geworden. Dieser Begriff stammt ursprünglich aus der Materialwirtschaft und meint die Elastizität sowie Widerstandsfähigkeit verschiedener Materialien. Resiliente, also widerstandsfähige Menschen, zeichnet eine gesunde Mischung aus Stärke- und Lösungsorientierung, Zuversicht, Selbstverantwortung, Einbindung in soziale Netzwerke und positive Zukunftsplanung aus.
Der Salutogenese Ansatz verfolgt also das Ziel, Stärken zu fördern, Ressourcen zu mobilisieren und so die Eigenverantwortung zu aktivieren. Hier bietet sich als Ergänzung zur Gitarrensaitenmetapher ein zweites Bild an: es geht darum, „im Leben schwimmen zu lernen“, statt „vom Ertrinken gerettet zu werden“.
Wollen Sie Ihr Leben vital, zufrieden und gesund erleben, ist über das Selbstwirksamkeitserleben und die Kohärenz hinaus noch ein cleverer Rhythmus von Anspannung und Entspannung nötig, den Energie zehrenden Aufgaben der Arbeit und des Lebens, konsequent regenerative Zeiten und erholsamen Ausgleich entgegenzusetzen. Denn auch Pausen und Regenerationszeiten entscheiden über Erfolg und Zufriedenheit. Gesundheit, Lebensfreude und Schaffenskraft sind also das Ergebnis eines ausgewogenen und „eutonischen Spannungszustandes“, den wir mittels unserer Fähigkeiten und unseren Ressourcen auch immer wieder selber herstellen können. Der Begriff Eutonie setzt sich aus den griechischen Wörtern „Eu“ = „gut“, „wohl“, „angemessen“ und „tonos“ = „Spannung“ zusammen. Die Fähigkeit also in unserer fordernden Leistungs- und Multioptionsgesellschaft immer wieder die eigene Energie- oder Lebenskraftbalance herstellen zu können, wird zu einem zentralen Schlüssel für die Gestaltung eines gesunden, zufriedenen und schöpferischen Lebens.