„Shu – Ha – Ri“ Die drei Stufen des Lernens für Mitarbeiter, Führung, Team- und Organisationsentwicklungsprozesse

Dr. Jürgen Freisl und Pit Rohwedder

Alle Organisationen stehen regelmässig vor der Frage, wie Entwicklungs- und Veränderungsprozesse effektiv gestaltet und nachhaltig umgesetzt werden können. Im Idealfall existieren systematische „Lernwege“, die den angestrebten Lern- und Veränderungszielen einen klaren Rahmen geben. Nach unseren Erfahrungen als Management Trainer und Organisationsberater sieht die Praxis jedoch häufig anders aus: oftmals werden neue Mitarbeiter/innen und neue Führungskräfte eher ins kalte Wasser geworfen. Systematische Vorbereitungen oder Qualifizierungen finden nur sporadisch oder auch zu spät statt. Veränderungen werden initiiert, doch nicht systematisch ausgerichtet und begleitet.

Um unsere Erfahrungen dazu nicht nur zu bündeln, sondern auch weiterzuentwickeln, haben wir über den Tellerrand geschaut. Dabei sind wir auf eine Philosophie der japanischen Kampfkunst gestoßen, die eine sehr anschauliche Entwicklungsdidaktik bietet. Vom Anfänger bis zum Meister erlebt der „Schüler“ seinen Entwicklungsprozess in den „Drei Stufen des Lernens“.


Was ist Shu Ha Ri genau und was bedeutet das?

Shu Ha Ri wird unter anderem in der asiatischen Kampfkunst verwendet und das Konzept soll auf den Japaner Kawakami Fuhaku (1719 – 1807) zurückgehen. Shu Ha Ri bezeichnet drei Entwicklungsetappen auf einem Weg, die gleichermaßen für die geübte Wegkunst, wie auch für den Reifeprozess im Leben gelten. Beide gehen Hand in Hand. Daher bezeichnet Shu Ha Ri in den Wegkünsten denselben Prozess, den ein Mensch im Leben erfährt: Jugend, Reife und Alter. In den betrieblichen Kontext übertragen bedeutet das den Weg

Vom Schüler – zum Gesellen – und zur Meisterschaft  oder auch
Vom Kenner – zum Könner – und Meister systematisch zu gehen.

Shu’, die erste Stufe des Lernens, bedeutet „erhalten, befolgen“. Man lernt, indem man nachahmt und den gegebenen Regeln folgt. Nur, wer die Regeln beherrscht, so die Idee, sei in der Lage, sich später über diese hinweg zu setzen, ohne die Kunst an sich zu verlieren. Das klassische Beispiel: ein kleiner Junge kommt in das Kloster der Mönche und will die hohe Kampfkunst erlernen. Seine Großmeister zeigen ihm die Bewegungsabläufe, korrigieren falsche Körperhaltungen und lassen den Jungen die Bewegungen wiederholen. In dieser Phase gehorcht der Junge als Lernender seinen Großmeistern.

‚Ha’ als zweite Stufe von Shu Ha Ri lässt sich übersetzen mit „durchbrechen, frei werden“. Hier geht es darum, die gegebenen Regeln und Standards zu variieren und auf die eigene Situation anzupassen. Dazu gehört auch, die Hintergründe zu verstehen, um so über das reine Befolgen von Regeln hinaus zu kommen. Bei unserem Beispiel vom Jungen im Kloster ist dieser zu einem jungen Erwachsenen herangewachsen. Er kennt die Ausführung der Kampftechniken, weiß nach welchen Regeln diese ablaufen. Nun beginnt er die Hintergründe der Techniken zu hinterfragen. Hier beginnt der Geselle die dahinterliegenden Prinzipien zu den Techniken bewusst mit einzubauen und entwickelt so seinen eigenen Stil. Dabei macht er kleinere Anpassungen, aber behält die Prinzipien bei. Der junge Erwachsene nimmt an ersten Übungswettkämpfen teil und feiert seine Technik.

‚Ri’ als dritte und höchste Stufe schließlich bedeutet „verlassen, abschneiden“ und meint, die gegebenen Muster hinter sich zu lassen um, von eigenen Impulsen gesteuert, eigene Wege zu gehen. Die Erfahrung und das Beherrschen der Regeln ist dabei die Voraussetzung, um sich in dieser fortgeschrittensten Variante unabhängig zu machen von der Lehre und deren Ideen frei anzuwenden. In unserem Beispiel des Klosters hat der Geselle den selben Wissensstand wie sein Großmeister. Somit wird er selber zum Großmeister, dies gelingt ihm auf Basis von seinen bisherigen Lehren und Erfahrungen. Im gegenseitigen Einverständnis würde, im Falle unserer Geschichte, nun der Junge als Erwachsener und mit dem Einverständnis seines Großmeisters das Kloster verlassen. Da er nun selber Grossmeister ist, kann er durch eigene kreative Impulse seine Techniken weiterentwickeln und verändern.

Das Konzept fand im Business Kontext anfangs der 200er Jahre durch Alistair Cockburnin seine erste Anwendung in der agilen Softwareentwicklung.

Shu Ha Ri in der betrieblichen Praxis

Für das Thema Lernen und Entwicklung bedeutet diese Philosophie zunächst: „Folge den Regeln, wie sie im Buche stehen! Nimm Deine relevanten Führungs- und Managementthemen genau, lerne dein System zu verstehen und handele danach Schritt für Schritt.“ Als Einwand dagegen kommt häufig aus der Praxis, dass man doch wohl sofort zum nächsten Schritt übergehen und es so machen könne, wie es individuell am besten passt. Dies ist möglich und sicher auch manchmal erfolgreich. Dennoch legt die Philosophie von Shu Ha Ri eine wichtige Frage nahe: Werde ich jemals in der Lage sein, die Methode, die Kunst wirklich so souverän zu beherrschen, dass ich sie frei verändern und weiter entwickeln kann, wenn ich nicht zu Beginn die Regeln und deren Auswirkungen am eigenen Leibe kennen gelernt habe?
Die eigene Weiterentwicklung ist begrenzt, denn diese erfordert eine Beherrschung der Methode. Und zur Beherrschung einer Methode gehören auch die Grundlage und zum Können wiederum gehört mehr als das theoretische Wissen.

Lernen in Stufen

Wer Methoden und Tools für sein System und seine Weiterentwicklung wirklich beherrschen lernen will, ist also gut beraten, wenn er die Regeln zunächst ernst nimmt. Erst, wenn Mitarbeiter/innen, Führungskräfte,Teams oder eine Organisation eigene Erfahrungen gesammelt haben, ist es Zeit für die zweite Stufe des Lernens, die Modifizierung. Nur daraus, aus der eigenen Erfahrung von Varianten und Abwandlungen und dem damit einhergehenden Verständnis von Sinn, Zweck und Hintergründen jeder einzelnen Regel, kann sich dann die dritte Stufe der Meisterschaft entwickeln.
Die Frage: „Regeln befolgen oder an die Situation anpassen?“ hat unterschiedliche, in jedem Falle allerdings eindeutige Antworten, je nachdem in welcher Phase man sich befindet. Beides hat seinen Sinn, eines nach dem anderen. Damit nicht der zweite Schritt vor dem ersten kommt und damit oft auch der letzte bleibt.

Das Konzept Shu Ha Ri kann als Tool angewendet werden, um festzustellen in welchem Stadium sich ein System, eine Organisation, ein Team, ein Einzelner oder ein Thema sich befindet und das weitere Vorgehen bewusst wählen.
Hier übersetzen wir übliche betriebliche Entwicklungsthemen in die Shu Ha Ri Didaktik:

 

 

Quellen / Literatur – ein wenig zum „Schmökern“ ?

Wenn Sie weitere Impulse zu diesem Thema möchten, dann finden Sie zum Beispiel Anregungen und Informationen auf folgenden Internet-Seiten:

 

 

 

Über die Lernfähigkeit von Organisationen, von Pit Rohwedder

Wie Menschen als Individuen lernen ist durch Pädagogik, Psychologie und Neurowissenschaften mittlerweile gut belegt. Doch wie lernen eigentlich Organisationen und wie kann deren Lernfähigkeit verbessert werden?

Organisationen haben über die Zeitdauer ihrer Existenz automatisch gelernt, mit ihrer relevanten Außenwelt (Kunde, Märkte, Lieferanten usw.) zu interagieren und ihr Innenleben

(Selbstverständnis, sozialer Umgang, Kooperationsniveau usw.) zu gestalten. Es sind also die typischerweise genutzten Möglichkeiten, Impulse für Veränderungen aufzugreifen oder auch abzulehnen und machen einen wesentlichen Teil der Organisationskultur aus. Stützend vor allem auf die erfolgreichen Erfahrungen und Problemlösestrategien der Vergangenheit werden dabei idealtypischer weise nützliche von weniger nützlichen Erfahrungen aussortiert. Sogenannte „Best Practice“ Erkenntnisse destillieren dann Idealrezepte heraus und sollen die Erfolgsstory auch für die Zukunft sichern. Der Begriff des „kontinuierlichen Verbesserungsprozess“ (KVP) ist inzwischen weithin bekannt geworden und legt teilweise eindrucksvoll Zeugnis ab, wie Lernvorgänge in Organisationen systematisch und erfolgreich gesteuert werden können.

Dieses von der Wirtschaft bevorzugte Lernverständnis beschreiben die renommierten Autoren und Wissenschaftler Argyris und Schön in ihrem Klassiker „Die lernende Organisation“ als Lernen Erster Ordnung oder Einschleifen Lernen („single loop“). 1 Auf der Basis von Grundannahmen und Überzeugungen, werden also operative Maßnahmen in der Organisation angeordnet. Zur Überprüfung dieser Maßnahmen lautet die zentrale Fragestellung: „Tun wir die angeordneten Dinge richtig?“

Das Einschleifen – Lernen bezieht sich also rein auf die Reflektion der Umsetzung von Maßnahmen, Prozessen und Projekten. Werden Irrtümer entdeckt, finden automatisch Korrekturen statt, bis der erwünschte Erfolg eintritt. Wir haben es also mit einem reinen Anpassungslernen an ein Paradigma zu tun. Das kann gut oder schlecht sein, je nach dem, welche Annahmen und Werte zur Bestimmung der Verbesserung herangezogen werden. Doch diese Annahmen und Werte bleiben beim Einschleifen Lernen unverändert. Weil man also innerhalb seines eigenen Denkmodells bleibt, findet zwar Veränderung im Sinne einer Anpassung an Bestehendes, aber kein wirklicher Wandel statt. Es darf nun bezweifelt werden, dass dieser letztlich systemimmanente Lernvorgang innovationshemmende „blinde Flecken“ in der Organisation erkennen lässt und hinsichtlich einer ungewissen Zukunft notwendige Selbsterneuerungskräfte fördern kann. Nicht jeder blinde Fleck in der Organisation entscheidet natürlich über seine Zukunftsfähigkeit. Da jedoch zahlreiche Wirtschaftswissenschaftler aktuell vom größten Umbruch in der bisherigen Wirtschaftsgeschichte ausgehen, sind durchaus Zweifel angebracht, ob es sinnvoll ist, die aus der Vergangenheit heraufwehenden Erfolgsrezepte, Denkmodelle und Werthaltungen auch für die Zukunft fahnenschwingend vor sich herzutragen. Sind sie als evolutionäres Potenzial eines Unternehmens automatisch auch noch für die Zukunft gültig und wirklich weiterhin erfolgversprechend?

Agyris und Schön stellen diesem traditionellem Lernverständnis ein interessantes Doppelschleifen Lernen oder Lernen Zweiter Ordnung gegenüber. Es folgt der Fragestellung: Tun wir (überhaupt noch) die richtigen Dinge?

Der „Double Loop“ ist also das Hinterfragen der Grundannahmen, Denkmodelle und Werthaltungen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können zu nachhaltig veränderten Sichtweisen von Annahmen und Strategien führen. Dieses Veränderungslernen stellt gegenüber dem reinen Anpassungslernen dann die Grundlage eines neuen Zusammenspiels in der Organisation mit seiner Umwelt und damit einem echten Wandel dar. Ein gutes Beispiel für Lernen Zweiter Ordnung ist die Entwicklung des Hochsprungs in der Leichtathletik. Hochsprungathleten haben jahrzehntelang die tapfersten Anstrengungen unternommen, um möglichst hoch über die Latte zu springen, sind aber letztlich immer derselben Annahme und Handlungsweise gefolgt, nämlich frontal zu springen. Erst Dick Fosbury hat durch den Fosbury Flop den Hochsprung komplett revolutioniert und durch die typische Rückwärtsbewegung die Leistungsfähigkeit im Hochsprung erheblich gesteigert. Doch gehen wir wieder zurück in die Wirtschaft. Apple hat bis vor wenigen Jahren noch nie Handys gebaut, dann völlig neue Wege eingeschlagen und die Welt revolutioniert. Welch eine böse Überraschung für Nokia, welche im bis dahin stabilen Markt ihre Konkurrenz nach Belieben beherrschte. Doch leider hatten sie nicht erfolgreich gelernt, die zukünftigen Kundenwünsche vorherzusehen bzw. Trends zu setzen.  Zahlreiche neue Start Up Unternehmen stellen mittlerweile tradiertes unternehmerisches Denken und Handeln radikal in Frage. Sie widersetzen sich erfolgreich einer lange gültigen Branchenlogik.

Eine „Lernende Organisation“ macht sich also selbst und ihr eigenes Lernverständnis zum Gegenstand der Beobachtung, Reflektion und zur Neuorientierung ihres Handelns.

Wenn Organisationen sich also für die Zukunft lediglich auf historisch gewachsenes und bewährtes aus der Vergangenheit stützen, verlassen sie demnach nie den eigenen „Tellerrand“ Es gilt psychologisch als gesichert, dass Erfolgsverwöhnung kritische Selbstreflexion bremst. Der bekannte Kommunikationswissenschaftler Paul Watzalwick hat das einmal passend formuliert:

„Wenn Du immer nur das tust, was Du immer schon getan hast, wirst Du immer nur das bekommen, was Du immer schon bekommen hast.“ 3

Übersetzt in das Anliegen dieses Kapitels, Lernfähigkeit in Organisationen zu verbessern, bedeutet dies

„Wenn wir über die Qualität unserer Produkte und internen Prozesse, über die (zukünftigen) Bedürfnisse unserer Kunden, über unseren Umgang mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern, sowie über Marktveränderungen und Wettbewerber, immer nur das denken und glauben, was wir immer schon gedacht und geglaubt haben, laufen wir im Fortschreiten der aktuellen Veränderungsdynamik Gefahr, den Kunden, Mitarbeiter, Geschäftspartner und den Markt zu verlieren.“

Halten Sie einmal kurz inne:

  • Wie werden Lernprozesse in Ihrer Organisation initiiert?
  • Sind diese eher ereignisorientiert und reaktiv oder auch systematisch und iterativ?
  • Wie experimentierfreudig oder wie sicherheitsorientiert erleben Sie das?
  • Wie werden Innenperspektiven, also die Erfahrung verschiedener Schlüsselspieler und MitarbeiterInnen und wie werden Impulse von Außen durch Kunden, Lieferanten, Wettbewerber dabei integriert?

In der dargestellten Grafik können Sie diese Impulsfragen über eine Skalierung von innen nach außen reflektieren. Innen entspricht dem Wert 0 und außen dem Wert 10, also hervorragend

Die Lernfähigkeit von Organisationen zu reflektieren und zu stimulieren ist kein „nice to have“, oder reiner Selbstzweck – sie sichert angesichts der turbulenten Veränderungsdynamiken unserer Zeit letztlich die Zukunftsfähigkeit von Organisationen!

In der Zukunft wird also das Überleben von Organisationen von der Kompetenz abhängig sein, ein neues Verständnis über sich Selbst, die Mitarbeiter, den Markt und die Kunden zu erlangen. Daraus können dann neue Strategien, Lernwege und Verhaltensweisen entwickelt werden. Stimulieren Sie also durch Innovationsteams, Innovationstage sowie crossfunktionale Zusammenarbeit Lernvorgänge in der Organisation. Diese Investition wird „frischen Wind“ bringen und sich immer lohnen.

1 Argyris , Chris; Schön, Donald A.: „Die lernende Organisation“, Clett Cotta Verlag,  Stuttgart 2006. S. 35-40

2 Chan, Kim W., Mauborgne, Renee: „Der blaue Ozean als Strategie“, Carl Hanser Verlag, München 2016

3 Watzlawick, Paul: https://www.google.com/search?biw=1920&bih=943&tbm=isch&sa=1&ei=jNw2XpeGM82Yaf6UipgN&q=Paul+watzlawick+wenn+du+immer+nur+das+tust+was+du+schon+immer+getan+hast&oq=Paul+watzlawick+wenn+du+immer+nur+das+tust+was+du+schon+immer+getan+hast&gs_l=img.12…10002.11140..16635…1.0..0.76.409.6……0….1..gws-wiz-img.klBhyKFS22s&ved=0ahUKEwiX_M_2ibPnAhVNTBoKHX6KAtMQ4dUDCAY

 

 

Agilität in der Arbeitswelt – der richtige Weg?

Angesichts steigender Veränderungsdynamiken im globalen Wettbewerb, der Forderung nach mehr Innovation und Kreativität sowie dem Ruf nach mehr Kundennähe, stellen die aktuell viel diskutierten agilen Managementmethoden interessante Ansätze für Organisationen bereit. Doch was kennzeichnet eigentlich eine agile Arbeitsorganisation und was sind die Vorteile agiler Methoden?

Der Duden definiert Agilität folgendermaßen: Agilität ist die Fähigkeit einer Organisation, flexibel, aktiv, anpassungsfähig und mit Initiative in Zeiten des Wandels und der Unsicherheit zu agieren.“

Agile Arbeits- und Organisationsformen beziehen sich in ihrem Selbstverständnis demnach auf:

  • Flache Hierarchien
  • Partizipative Führung bzw. integrativer Führungsstil
  • Übernahme von mehr Selbstverantwortung bei den MitarbeiterInnen
  • dadurch mehr Motivation und Engagement
  • dadurch schnellere Problemlösung vor Ort
  • und dadurch mehr Kundennähe

Durch die Gestaltung flacher Hierarchien, werden langsame und oft umständliche Bürokratieprozesse abgebaut, die Problemlösefähigkeit vor Ort verbessert, sowie Kreativität und Geschwindigkeit in Entscheidungsprozessen gefördert. Gerade in unsicheren und dynamischen Zeiten (VUKA Welt) werden neue, schnelle Denk- und Lösungsansätze wieder wichtig. In einer weltweiten, von IBM durchgeführten CEO Umfrage, gaben 60 Prozent der Befragten an, das Kreativität heutzutage wichtigste Führungsqualität sei.  Der amtierende Vorstandsvorsitzende des Siemens Konzens Joe Kaeser ist sogar davon überzeugt, dass „Innovation das Lebenselixier“ seines Unternehmens sei. Mehr Selbstverantwortung fördert aber auch Sinn und Motivation bei Mitarbeitern, sodass nicht nur die Arbeitszufriedenheit steigt, sondern gleichzeitig auch der Krankenstand sinkt.

Agile „Betriebssysteme“  bewegen sich also raus aus den Fachsilos hin zu kundenfokussierten, innovativen, multidisziplinären und damit flexibel reagierenden Teams. Nach Prof. Weibler, der den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Fernuniversität Hagen hat, könnten die Kompetenz und die Selbstverantwortung der MitarbeiterInnen in Zukunft sogar zunehmend die formale Macht ablösen. Im Wiener Telekommunikationsunternehmen Haase kommt man beispielsweise schon ohne operative Managementebene aus – die Geschäftsführung konzentriert sich rein auf die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens und überlässt die operative Aufgabensteuerung den rund 85 Beschäftigten. In agilen Arbeitsformen sind Teams oder Abteilungen also nicht vollständig sich selbst überlassen, sondern agieren innerhalb eines klar gesteckten  Rahmens.

Der Ansatz ist im Grunde genommen nichts Neues. Die britische Kohlemine Haighmoor konnte nach dem zweiten Weltkrieg durch Selbstverantwortung Kosten, Unfallzahlen und Fluktuation senken, während die Produktivität, die Qualität und die Motivation stieg (vgl. Tavistock Ansatz). In den 1970er und 1980er Jahren hielten selbstverwaltete Arbeitsgruppen unter dem Namen „partizipative Unternehmensführung“ Einzug in die Managementliteratur. Das Volvo Werk im schwedischen Kalmar reduzierte 1987 die Produktionsmängel damit um 90 Prozent. Die amerikanische Großhandelskette C&S Wholesale Grocers schuf Ende der 1980er Anfang der 1990er ein von selbstorganisierten Teams geschaffenes Warenhaus, das 60 % Kosteneinsparungen im Vergleich zum Wettbewerb erbrachte. Richard Straub, ehemaliger IBM Topmanager und Präsident der Peter Drucker Society, bezeichnet eine Reifung dieser selbstorganisierten Arbeitsformen als einen Übergang zur „unternehmerischen Gesellschaft.“

Typische agile Methoden, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben sind:

Doch nicht alle Arbeitsbereiche benötigen auch agile Arbeitsformen oder Methoden. Durch die Stacey Matrix wird klar, dass beispielsweise in der Serienproduktion, standardisierte Prozesse sinnvoll sind und völlig ausreichen. Verändern sich jedoch die Anforderungen oder Umstände und das „Was?“ und das „Wie?“ werden unklarer, sind agile Herangehensweise erfolgsversprechender.

Die Vorteile agiler Methoden sind also:

  • kontinuierliches und flexibles Anpassen an Veränderungen und Kundenwünschen
  • Minimierung von überflüssigen Meetings, Planungsaufwänden und Dokumentationen
  • Förderung von Innovationsfreude und Bewegung
  • Verbesserung crossfunktionaler Zusammenarbeit
  • Erhöhung der Effektivität und Effizienz
  • Mehr Sinnstiftung und Partizipation

 

 

Leistungslust und Lebensfreude

Kennen Sie den Zustand, wenn es im täglichen Leben dahin fließt und trotz Anstrengungen einfach „flutscht“?  Wann haben Sie so einen Zustand das letzte Mal erlebt?

Mittlerweile stellen sich in unserer Leistungssteigerungs- und Multioptionsgesellschaft leider immer mehr Menschen die Frage, wann sich das Leben endlich wieder gut, also „rund“, „fließend“ und somit „stimmig“ anfühlen kann. In so einem „Modus des Gelingens“ erlebt man Leistungslust und Lebensfreude. Die Voraussetzung dafür ist zunächst,  die  gestellten Anforderungen und Herausforderungen selbstwirksam bewältigen oder lösen zu können.

Gelingt das nicht, öffnen wir Überforderungen Tür und Tor. Stellt sich jedoch zwischen den Forderungen auf der einen Seite und den zur Verfügung stehenden Kompetenzen oder Ressourcen auf den anderen Seite eine Balance ein, erfahren wir das Leben vital und haben Freude an der zu erbringenden Leistung. Dieser Zustand kann auch mit den Saiten einer Gitarre verglichen werden: sind die Saiten zu locker, ist es zwar entspannt, auf Dauer aber langweilig und fad; ist die Saite zu fest, gibt sie nicht mehr den richtigen Ton an und droht zu reißen. Der richtige Ton einer Gitarrensaite bedeutet also im übertragenen Sinne, einen optimalen Spannungszustand herstellen zu können.

Wenn wir den Anforderungen, Herausforderungen oder Problemen des Lebens über unsere selbstwirksame Bewältigung hinaus noch eine Bedeutung geben und einen Sinn verleihen können, stellt sich noch ergänzend ein besonderes Gefühl ein: Kohärenz. Im Zustand von Kohärenz erleben wir die Anforderungen oder die Herausforderungen des Lebens für uns stimmig. Dieses Stimmigkeitserleben speist sich also einerseits aus den vorhandenen Bewältigungskompetenzen und andererseits aus unserer Bedeutungs- und Sinngebung. Durch Sinn und Stimmigkeit entsteht wiederum  Motivation für Kontinuität oder für mehr Leistungslust.

Der Kohärenzbegriff ist ein zentraler Aspekt der Salutogenese, welches die Wissenschaft von der Entstehung und Erhaltung der Gesundheit ist. Das Salutogenese Modell geht auf den Soziologen Aaron Antonovsky zurück und beschreibt Gesundheit und Zufriedenheit als einen dynamischen Wechselwirkungsprozess zwischen Risiko- und Schutzfaktoren, zwischen erlebbaren Krisen und den zur Verfügung stehenden Bewältigungsfähigkeiten. Dabei spielt einerseits die Grundhaltung des Menschen, wie er also seine Schwierigkeiten angeht, Rückschläge verarbeitet, Vertrauen in seine eigenen Kräfte entwickelt und seine Sinngebung eine bedeutende Rolle. Auf der anderen Seite aber auch seine Eingebundenheit in Familie und soziale Netzwerke. Diese Gestaltungs- und Widerstandsfähigkeit des Menschen hat also einen entscheidenden Einfluss auf seine Zufriedenheit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Resilienz sehr populär geworden. Dieser Begriff stammt ursprünglich aus der Materialwirtschaft und meint die Elastizität sowie Widerstandsfähigkeit verschiedener Materialien. Resiliente, also widerstandsfähige Menschen, zeichnet eine gesunde Mischung aus Stärke- und Lösungsorientierung, Zuversicht, Selbstverantwortung, Einbindung in soziale Netzwerke und positive Zukunftsplanung aus.

Der Salutogenese Ansatz verfolgt also das Ziel, Stärken zu fördern, Ressourcen zu mobilisieren und so die Eigenverantwortung zu aktivieren. Hier bietet sich als Ergänzung zur Gitarrensaitenmetapher ein zweites Bild an: es geht darum, „im Leben schwimmen zu lernen“, statt „vom Ertrinken gerettet zu werden“.

Wollen Sie  Ihr Leben vital, zufrieden und gesund erleben, ist über das Selbstwirksamkeitserleben und die Kohärenz hinaus noch ein cleverer Rhythmus von Anspannung und Entspannung nötig, den Energie zehrenden Aufgaben der Arbeit und des Lebens, konsequent regenerative Zeiten und erholsamen Ausgleich entgegenzusetzen. Denn auch Pausen und Regenerationszeiten entscheiden über Erfolg und Zufriedenheit. Gesundheit, Lebensfreude und Schaffenskraft sind also das Ergebnis eines ausgewogenen und „eutonischen Spannungszustandes“, den wir mittels unserer Fähigkeiten und unseren Ressourcen auch immer wieder selber herstellen können. Der Begriff Eutonie setzt sich aus den griechischen Wörtern „Eu“ = „gut“, „wohl“, „angemessen“ und „tonos“ = „Spannung“ zusammen. Die Fähigkeit also in unserer fordernden Leistungs- und Multioptionsgesellschaft immer wieder die eigene Energie- oder Lebenskraftbalance herstellen zu können, wird zu einem zentralen Schlüssel für die Gestaltung eines gesunden, zufriedenen und schöpferischen Lebens.

Kata Coaching – Wie Sie mit 4 Schritten Potenziale entfalten und kontinuierliche Weiterentwicklung schaffen

In den letzten Jahren haben viele Organisationen agile Methoden und Tools ein-
geführt und erzielten damit auch schnelle Erfolge. Doch oft waren diese nur von kurzer Dauer, da Mitarbeiter und Führungskräfte zwar die Methoden anwendeten, jedoch ihre Handlungs- und Denkmuster nicht änderten. Ihnen fehlten die Denk- und Handelsroutinen, die im Kata-Coaching vermittelt werden. Denn ohne Kata funktioniert kein agiles Tool dauerhaft.

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Leadership 4.0 – Wie Sie mit moderner Führung Wettbewerbsvorteile schaffen

Industrie 4.0 ist in Deutschland ein Symbolbegriff für die immer komplexere Welt verbunden mit turbulenten Zeiten. Für alle Organisationen besteht in diesem Umfeld ein Anpassungsdruck. Von außen durch Themen wie Digitalisierung, disruptive Geschäftsmodelle oder unsichere Marktbedingungen. Von innen durch die Bedürfnisse einer neuen Mitarbeitergeneration (Y und Z) oder den Bedarf an agilen und selbststeuernden Strukturen und Prozessen.

In diesem Kontext ergeben sich ganz neue Anforderungen an die Führung und parallel die Chance, mit Leadership 4.0 und agilem Führen eine Antwort auf Industrie 4.0 und damit einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen.

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So werden Meetings wieder effizienter und viabler

Meetings, Besprechungen, Sitzungen oder Konferenzen. All dies sind etablierte Managementpraktiken in Organisationen.
Irgendwann eingeführt – und meist nie wieder in Frage gestellt – manchmal lästig, oft sogar Zeitverschwendung.
Wie können Sie den Nutzen von Meetings steigern, Kommunikationshürden abbauen und zudem den Beteiligungsgrad der
Teilnehmer erhöhen?

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Jenseits der Effizienz – das Fenster der Vitalität

Wie wir von der Natur lernen können und mit systemischer Führung nachhaltigen Erfolg in der VUCA-Welt erreichen.

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Die Polarity-Canvas – der konstruktive Umgang mit Widersprüchen

„Das Merkmal ausgezeichneter Intelligenz ist die Fähigkeit, gleichzeitig zwei widersprüchliche Ideen im Kopf zu haben und trotzdem funktionsfähig zu bleiben.“
F. Scott Fitzgerald

Vor einigen Tagen erschien im Netz ein interessanter Artikel zu der Frage: „Wer ist wichtiger – Mitarbeitende oder Kunden?
Bereits die Überschrift irritierte mich. Ist diese Frage wirklich richtig gestellt? Sind nicht beide Parteien für das Wohlergehen eines Unternehmens gleichermaßen wichtig?

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